Malerei, Architektur, Theater. Frankfurt, England, Griechenland. Und ein Buch in drei Sprachen. Wir treffen Aikaterini Kontou im Atelierfrankfurt. Großformatige Zeichnungen, Leinwandrollen, bemalte Möbel. Aikaterini sitzt auf der Fensterbank und raucht. Schon bei unserer ersten Begegnung vor einigen Monaten wurde deutlich, wie bemerkenswert vielseitig Aikaterini ist. Hier in ihrem Atelier ist sie vor allem Malerin, eine Malerin inmitten ihrer Arbeiten. Mich interessiert, wie Aikaterini Kontou zur Malerei gekommen ist.
„Mein Vater war Maler. Wir haben zusammen in der Küche gesessen und gemalt. Da war ich vier oder fünf Jahre alt. Auch meine Mutter ist sehr kreativ. Sie hat Möbel gestaltet, Kleidung entworfen und sich viel mit Design beschäftigt. Ich wollte Kunst studieren. Aber mein Vater war dagegen. Also habe ich Architektur studiert, aber mich immer mit Kunst beschäftigt. Vor allem gezeichnet.“
Aikaterini Kontou ist in Thessaloniki (Griechenland) geboren und aufgewachsen und hat in England Architektur studiert. Seit 2013 lebt sie in Frankfurt. „Die Architektur hat mich sehr beeinflusst. Körper sind Formen. Sie erinnern an Räume und Grundrisse.“ Aikaterini Kontous Arbeiten haben etwas sehr Lineares, das zugleich sehr räumlich ist. Es ist keine Malerei, die sich vorwiegend mit Farbe auseinandersetzt.
Zum Beispiel ein Porträt. Es zeigt nur die Gesichtszüge und eine Nase. Und einen Mund. „Dieses Porträt hat keine Augen. Aber dennoch hat man das Gefühl, dass es einen anschaut. Das ist sehr faszinierend. Und ich spiele damit.“ Es geht um die Reduktion, um das, was für Aikaterini als Künstlerin wichtig ist.
„Ich bin alt genug und habe schon viel gearbeitet. Viele Jahre lang. Momentan denke ich darüber nach, was mir im Leben wichtig ist. Ich habe viel über die Frage nachgedacht, was Erfolg für mich bedeutet. Für mich bedeutet Erfolg, abends müde, aber erfüllt ins Bett zu gehen. Und wenn man morgens aufwacht, die Augen öffnet und sagt: Los geht‘s. Mit Freude.“
„Ich befinde mich an einem Wendepunkt in meinem Leben, alles ändert sich. Ich habe mich nach 15 Jahren von meinem Partner getrennt und bin umgezogen. Ich habe dieses Atelier gemietet. Mein Vater ist gestorben. Ich stelle mir viele Fragen: Was bedeutet Sicherheit? Wie wichtig ist es, Geld zu haben? Welche Bedürfnisse habe ich als Mensch? Als Frau?“ „I exist between worlds – architecture and art, structure and chaos, captive and free-spirited“ schreibt Aikaterini Kontou auf ihrer Website. Aktuell arbeitet sie daran für sich und ihre Projekte ein Branding zu entwickeln – Das inB2in.studio.
Ihre künstlerischen Arbeiten, Zeichnungen und Malerei beeinflussen auch Aikaterini Kontous Tätigkeit als Architektin. „Leider habe ich in der Architektur nicht die Möglichkeiten, sehr kreativ zu sein. Aber ich habe eine andere Sichtweise. Das hilft mir dabei außerhalb der gängigen Schemata zu denken und innovative Lösungen zu finden. Ich bin sehr gut darin, neue Grundrisse oder unkonventionelle Farbkombinationen zu entwickeln.“
Zurück zur Malerei. Vielschichtige, symbolischen Kompositionen, die Imperfektion, Verletzlichkeit und die Übergänge zwischen individueller und kollektiver Erfahrung untersuchen. Auf der großformatigen Arbeit „Feminine Aspects“ (2021) erkennt man die Künstlerin – an den hochgesteckten Haaren, die sich zu einem Dutt formen. „Ich stehe als Vertreterin für alle Frauen. Ich möchte eine Verbindung herstellen, kommunizieren, konfrontieren.“
„Feminine Aspects“ versammelt abstrahierte, fast totemhafte Figuren, die zwischen Selbstporträt und universellem Archetyp oszillieren. Auf dieser Arbeit erkennt man, dass Aikaterini in mehreren Schichten arbeitet. Man erkennt Graphit, eine Zeichnung. Darüber Farbe, untere Schichten scheinen durch. Viele verschiedene Facetten einer Figur, Bewegung und Tiefe. Wann kommt der Punkt, an dem das Werk vollendet ist? „Ein solcher Punkt existiert nicht. Ich könnte jederzeit weitermachen.“
„Ich benutze meine Bilder, um immer wieder etwas Neues zu machen. Es gibt kein Ende. Meine Bilder brauchen Zeit, um reif zu werden.“ Und dann die Margeriten: Blumen mit Augen, die teilweise weinen. „I love me – I love me not“ (2024) verwandelt das kindliche Spiel des Gänseblümchenpflückens in eine tiefgreifende Reflexion über Selbstwert und emotionale Selbstbestimmung. „Es ist sehr wichtig, wie wir mit uns selbst umgehen. Dass wir uns selbst lieben.“ Schön, dass die Tränen nur aufgeklebt sind. Man kann sie wieder abnehmen. Die Margeriten sind Collagen, sind flexibel, werden zu Objekten.
Wie die beiden bemalten Stühle. Sie sind für ein Theaterprojekt entstanden. Das Theaterstück “Der Kreis” thematisiert Erinnerungen, die Bindung zwischen Schwestern und die stillen Brüche, die uns prägen. „Wir haben ein Kollektiv gegründet, das ActingUP-Kollektiv und im Juni unser erstes Stück präsentiert. Der Titel Kreis, griechisch kýklos symbolisiert uns Frauen und unsere Gemeinschaft. Wir teilen unsere Geschichten. Wir unterstützen uns gegenseitig.“ Das ActingUP-Kollektiv besteht aus vier Frauen mit griechischen Wurzeln. Sie haben das Stück gemeinsam geschrieben und produziert, das Bühnenbild und die Kostüme gestaltet und zudem selbst als Schauspielerinnen agiert. Die Aufführung fand in griechischer Sprache statt, mit deutschen Untertiteln.
Wie geht es weiter? „Das ist offen. Alles kann passieren. Es geht nicht nur um Themen, für die wir uns als Griech:innen hier in Deutschland oder als Frauen interessieren, sondern auch um Beziehungen zwischen Mann und Frau.“ Derzeit plant das Kollektiv das nächste Projekt, ein szenisches Lesetheater, für Januar 2026.
Theater, Architektur, Malerei und Zeichnung. Zudem ist Aikaterini Kontou als Kuratorin tätig. Gemeinsam mit Serkan Gören und Jerome North Derzeit kuratiert sie die Ausstellung „a.t.o.m.e – a taste of meta-modern expression“, die 2026 in Berlin 16 Künstler:innen aus Frankfurt präsentieren wird. Und dann gibt es noch ein Buchprojekt. „Das Buch trägt den Titel „The Attic” und ist eine fiktionale Erzählung, die meine persönliche Reise erzählt. Es geht um drei Frauen. Alle drei Frauen stehen für mich. Eine Deutsche, eine Engländerin und eine Griechin. Ich würde das Buch liebsten in drei Sprachen schreiben. Es wäre schön, wenn jede Person in ihrer eigenen Sprache sprechen könnte…“
Auch auf den Kunstwerken können Schrift und Text vorkommen. Zum Beispiel das Sofa, auf dem wir sitzen. „We together…“ steht da geschrieben. Ein Relikt aus dem Theaterstück. Es könnte theoretisch auch irgendwann aufgespannt werden und ein Bild werden. „Viele meiner Kunstwerke werden von meinen Texten geprägt und umgekehrt. Diese Verbindung ist mir sehr wichtig.“ Inhalte, die mit ihrer Kunst verbunden sind und sich besser in Worten ausdrücken lassen. Aber auch grafische und lineare Elemente.
Die Kunst, das Theaterstück und das Buch. Aikaterini versucht, bedeutende autobiografische Themen mit verschiedenen Medien auszudrücken. Es gefällt mir, wie selbstverständlich diese Medien nebeneinanderstehen. Diese Geradlinigkeit, mit der Aikaterini arbeitet, ohne sich Fragen zu stellen wie: „Bin ich Malerin oder Schauspielerin?”
„Ich war schon immer vielfältig. Das inB2in.studio ist mein Versuch, alles zusammenzubringen und eine Verbindung zu finden. Ich möchte meine Gedanken und Ideen ordnen und nach außen hin sichtbar machen.“ Für Aikaterini Kontou ist es wichtig, authentisch zu sein, sowohl in dem, was sie tut, als auch in dem, was sie ausdrückt. Und dann? Was kommt dann? „Alles ist willkommen. Formen, Werke, Bilder. Sie haben einen physischen Körper. Sie tragen eine Seele in sich.“
www.instagram.com/aikaterini_art_kontou
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Nachdenken über den Begriff Kultur oder: was macht die Biologin in unserer Reihe?